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In China entscheidet sich der Medizinstudent, ob er ein Studium der westlichen, modernen Medizin absolviert oder sich in der Jahrtausende alten, traditionellen chinesischen Medizin (TCM) ausbilden lässt. Die ersten drei Jahre der Ausbildung sind identisch. Dann trennen sich die Wege der Schulmediziner und der TCM-Ärzte. Das Spezialstudium dauert dann noch einmal drei Jahre. Unsere westliche Medizin versteht den Menschen als Uhrwerk, das man durch Zerlegen in seine kleinsten Teile verstehen kann. Krankheit ist demnach eine Fehlfunktion von biologischen Mechanismen. Und der Arzt greift physikalisch oder chemisch ein, um die Fehlfunktion zu korrigieren, wobei verschiedene Teile von verschiedenen Spezialisten behandelt werden. So verliert die moderne Medizin aus den Augen, dass der Patient als Wesen in eine natürliche und soziale Umwelt eingebettet ist. TCM-Ärzte verstehen den Menschen als energetisches Gefüge. Das energetische Potenzial, das Qi [sprich: Tschie], durchdringt den Körper wie Flüsse eine Landschaft durchströmen. Nach der uralten Erfahrung der Ärzte fließt dieses Qi in aufeinander folgenden Zyklen auf definierten Bahnen, den Meridianen. Diese Leitbahnen verlaufen entlang der Körperoberfläche und treten an bestimmten Stellen in die Tiefe des Körpers ein, um die verschiedenen Organe zu durchfluten.

Vor über 2000 Jahren wurde schon beschrieben, dass das Qi von außen beeinflusst werden kann: durch Akupunktur. Man verwendete zunächst Tierknochen oder Fischkräten. Heutzutage wird mittels Metallnadeln an bestimmten Akupunkturpunkten (Hautöffnungen zum Qi-Fluss) das Qi erreicht und modeliert, werden Blockaden gelöst, der Qi-Fluss gekräftigt oder krankes Qi aus dem Körper geleitet. Neben der Akupunktur gibt es auch das Abbrennen von Beifuß (Folium Artemisiae Argyi) an Meridianpunkten, die Moxa-Therapie. Statt der Nadeln wird hier Wärme zur Qi-Stimulierung verwendet. Die Anwendung der Arzneimittel ist in der TCM seit ältester Zeit das mit Abstand wichtigste, vielfältigste und am feinsten streubare Heilverfahren. Pflanzliche, tierische und mineralische Stoffe werden individuell rezeptiert und als Abkochung, Tee oder Lösungen von Rohdrogengranulaten getrunken. Neben der Akupunktur und den Arzneimitteln ist die dritte Säule der TCM das Qigong bzw. Tai Chi, was Qi-Übungen oder Umgang mit Qi bedeutet. Spezielle Übungen harmonisieren das Qi im Körper, halten es im gleichmäßigen Fluss, wirken so Erkrankung entgegen oder leiten das Qi an bestimmte Stellen, um die Erkrankung zu bekämpfen. Gleichzeitig meditiert der Übende und atmet entsprechend.

Die Akupunkturpunkte können auch lediglich massiert werden. Diese Heilmethode, z. B. Tuinatherapie ist in China seit mindestens 2000 Jahren beheimatet und kommt als Haupt- oder Ergänzungsbehandlung in Betracht. "Ein guter Arzt muss kochen können!" In der TCM war man sich von frühester Zeit an deutlich bewusst, welche Auswirkung Nahrung auf den Körper hat und wie wichtig eine ausgewogene Ernährung für das allgemeine Wohlbefinden ist: Nahrungsmittel sind milde Therapeutika mit eigener Qi-Kraft. So verwendet man in der chinesischen Diätetik die Lebensmittel nach ihrem innewohnenden Temperaturverhalten (kalt-heiss), dem Geschmack (salzig-scharf), der Wirktendenz (emporhebend, absenkend) und ihrem Funktionskreisbezug (Fünf Wandlungsphasen).

Die Chinesen betrachten den Körper als Mikrokosmos, in dem sich die großen kosmischen Zusammenhänge wiederspiegeln. Überall herrscht das Prinzip der Polarität (Tag - Nacht, Mann - Frau, Yin - Yang). Yang ist das Aktive und Dynamisierende, Yin das Stetige und Somatisierende. Für die TCM-Diagnostik ist die Zungen- und Pulsdiagnose am wichtigsten. Es werden aber auch eine Vielzahl weiterer Merkmale am Körper, an der Gesamterscheinung und Bewegungsart registriert, wie z.B. die Beurteilung von Temperatur, Hautfeuchte und Geruch oder die Ertastung der Pulse. Für eine TCM-Anamnese und Untersuchung muss man 60 Minuten Zeitaufwand rechnen (ähnlich der homöopathischen Fallaufnahme). Sie dort!

Das Öffnen von Körpern, ob tot oder lebendig, galt im alten China als grobe Beleidigung der Vorfahren des Betroffenen. So blieben das Sezieren von Leichen oder chirurgische Eingriffe bis ins 20. Jahrhundert tabu. Der Arzt konnte Erkrankungen nur in Funktionskreisen erkennen, eine Ansammlung von Funktionsäußerungen, klinischen Symptomen und äußeren Beobachtungsdaten. Das benötigte und benötigt auch heute Zeit.

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